Dass Augmented-Reality-Anwendungen in der Fertigung zunehmend gebräuchlich werden, ist hinlänglich bekannt. Eine brandaktuelle Analyse eines renommierten Marktforschungsinstituts prognostiziert eine jährliche Verdopplung der globalen Verkaufszahlen bis mindestens 2025 und stellt in Aussicht, dass Smart Glasses umständlich zu handhabende Geräte wie Tablets aus den Produktionsstätten langfristig verdrängen. Dem VDMA IT-Report 2018-2020 zufolge setzt in Deutschland derzeit jedes fünfte Maschinenbau-Unternehmen Augmented- oder Virtual-Reality-Lösungen ein und schon übernächstes Jahr soll es jedes zweite sein.
Dabei brillieren AR-Funktionen in einem verwandten Bereich besonders stark, nämlich dort, wo es auf Mobilität wirklich ankommt: in der Montage, Wartung und Reparatur. Hier sind die Einsatzorte der TechnikerInnen räumlich oft weit voneinander entfernt. Erst einmal angekommen, sehen sich allgemein ausgebildete Servicekräfte dann bisweilen mit unerwarteten Problemen konfrontiert, für deren Lösung Expertenwissen vonnöten ist. Ausgerüstet mit AR-Technologie erhalten sie jedoch die Möglichkeit, sich aus der Ferne Schritt für Schritt von Spezialisten anleiten zu lassen. Dieser Remote Support kann vom Schreibtisch aus genau mitverfolgen, was der Techniker vor Ort sieht und gegebenenfalls sogar virtuelle Markierungen auf dessen Sichtfeld projizieren.
Wie die New York Times kürzlich berichtete, profitiert von dieser Anwendung unter anderem die ZF Friedrichshafen AG. Früher flogen im Ernstfall Spezialisten aus Deutschland zur Anlage in South Carolina. Heute assistieren sie dem dortigen Personal per Smart Glasses, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen. Thyssenkrupp unterdessen hat die Datenbrille so tief in sein Leistungsmodell integriert, dass das Unternehmen eine Zeitersparnis von drei Vierteln bei Installationen und Reparaturen von Aufzügen vermelden kann.
Insgesamt sieht es danach aus, als sei gerade die AR-Technologie bestens dazu geeignet, eines der größten Digitalisierungsversprechen wahr werden zu lassen: das “Upgrading” von Arbeitskraft beziehungsweise die Aufwertung von Qualifikationen (für eine konzise Begriffserklärung zum “Upgrading” empfehlen wir diese Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 14). Durch Vernetzung und digitale Abrufbarkeit lässt sich Expertenwissen schnell und “on the job” übertragen. Qualifikationswege werden kürzer und mühsame Aufgaben sind leichter zu bewältigen. Indem mit AR ausgestattete ArbeiterInnen von zeitaufwändiger Fehlersuche und Informationsbeschaffung entlastet werden, können sie ihre Tätigkeiten durch neue Aufgabenfelder aufwerten.